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    Aktuelle Ausgabe – ENGLISCH

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    Aktuelle Ausgabe – DEUTSCH
    Grundlagenforschung an Oxidglas durch Uni Bayreuth

    Neues Glas mit sehr hoher Bruchfestigkeit durch Parakristallisation

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  • Simulierte Struktur von glasartigem (li.) und parakristallinem (re.) Grossular, einem Silikat. Die Atome der Elemente Sauerstoff, Silizium, Aluminium und Kalzium (von klein bis groß) sind desto heller eingefärbt, je höher der Grad der Ordnung in der umgebenden Struktur ist. Dadurch wird das Glas sehr bruchfest.

    Bild: Dr. Hu Tang

     

    Forscher der Universität Bayreuth haben gemeinsam mit Partnern in China und den USA ein bruchfestes Glas durch Parakristallisation hergestellt. Unter hohen Drücken und Temperaturen ist es ihnen gelungen, ein Aluminosilikatglas parakristallisieren zu lassen. Die dadurch entstandenen kristallähnlichen Strukturen bewirken, dass das Glas eine bisher unerreichter Bruchfestigkeit erreicht und sehr hohen Belastungen standhält. Die Parakristallisation erweist sich damit als vielversprechendes Verfahren zur Herstellung extrem bruchfester Gläser, da die veränderte Struktur auch unter normalen Umgebungsbedingungen erhalten bleibt. In „Nature Materials“ stellen die Forscher ihre Ergebnisse vor, an denen auch das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg beteiligt war.

     

    Glas ist in vieler Hinsicht ein attraktiver Werkstoff für moderne Technologien. Allerdings schränkt seine Sprödigkeit, die leicht zu Rissen und Brüchen führt, seine Anwendungsmöglichkeiten ein. Forschungsansätze mit der Absicht, die Bruchfestigkeit von Glas unter Beibehaltung seiner vorteilhaften Eigenschaften stark zu erhöhen, haben bisher größtenteils nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Der in „Nature Materials“ vorgestellte neue Ansatz geht von Oxidgläsern aus, die eine eher ungeordnete innere Struktur aufweisen. Sie zählen zu den am häufigsten kommerziell genutzten Glasmaterialien. Am Beispiel eines Aluminosilikatglases, das Silizium, Aluminium, Bor und Sauerstoff enthält, ist es dem Forscherteam in Deutschland und China gelungen, dem Oxidglas eine neue Struktur zu geben. Dazu nutzten sie Hochdruck- und Hochtemperaturtechnologien am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.

    Zwischen amorph und kristallin

    Bei einem Druck zwischen 10 und 15 Gigapascal und einer Temperatur von etwa 1.000 Grad Celsius gruppierten sich die Silizium-, Aluminium-, Bor- und Sauerstoffatome zu kristallähnlichen Strukturen. Diese Strukturen werden als „parakristallin“ bezeichnet, weil sie sich deutlich von einer völlig unregelmäßigen Struktur unterscheiden, aber nicht die völlig regelmäßige Struktur von Kristallen haben. Sowohl empirische Analysen mit Hilfe spektroskopischer Techniken als auch theoretische Berechnungen zeigten deutlich diesen Zwischenzustand zwischen Kristallstrukturen und amorpher Unregelmäßigkeit. Selbst nach einem Druck- und Temperaturabfall auf normale Umgebungsbedingungen bleiben die parakristallinen Strukturen im Aluminosilikatglas erhalten. Die Durchdringung des Glases mit diesen Strukturen führt dazu, dass die Bruchfestigkeit des Glases um ein Vielfaches höher ist als vor der Parakristallisation. Sie erreicht nun einen Wert von bis zu 1,99 ± 0,06 MPa (m)¹/². Dies ist eine nie zuvor für Oxidgläser gemessene Bruchfestigkeit. Gleichzeitig wird die Transparenz des Glases durch die parakristallinen Strukturen nicht ernsthaft beeinträchtigt.

    Großes Optimierungspotenzial für Glas

    Die außergewöhnliche Festigkeit des Glases erklären die Forscher damit, dass von außen auf das Glas einwirkende Kräfte, die normalerweise zu Brüchen oder inneren Rissen führen würden, sich vor allem gegen die parakristallinen Strukturen richten. Sie lösen Teilbereiche dieser Strukturen auf und überführen sie wieder in einen amorphen, zufälligen Zustand. Auf diese Weise erhält das Glas insgesamt eine größere innere Plastizität, so dass es nicht bricht oder reißt, wenn es von außen sehr starken Kräften ausgesetzt ist.

    „Unsere Entdeckung weist auf eine wirksame Strategie für die Entwicklung hochgradig schadenstoleranter Glasmaterialien hin, die wir in den kommenden Jahren mit unserer Forschung weiter verfolgen wollen“, sagt Dr. Hu Tang, Erstautor der neuen Studie. „Die Erhöhung der Bruchfestigkeit durch Parakristallisation zeigt, dass strukturelle Veränderungen auf atomarer Ebene einen erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften von Oxidgläsern haben können. Hier liegt ein großes Optimierungspotenzial für den Werkstoff Glas, das noch lange nicht ausgeschöpft ist“, ergänzt Prof. Dr. Tomoo Katsura vom Bayerischen Geoinstitut (BGI).

     

    Nicht nur Theorie aus Bayreuth

    Die Forschenden am Keylab Glastechnologie der Universität Bayreuth stellten bereits im März dieses Jahres zusammen mit der Firma Soulbottles eine neuartige Technologie zur Herstellung bruchsicherer Glasflaschen vor. Sie beruht auf der einer chemischen Härtung des Glases und wurde ursprünglich in der DDR entwickelt. Die hochfesten Glasflaschen befinden sich nach Unternehmensangaben aktuell in der Markteinführung.

    Die aktuellen Forschungsarbeiten des internationalen Teams unter der Leitung von Prof. Katsura sind nach Angaben der Univeristät sehr viel grundlagenorientierter. Entscheidend hierbei waren die Instrumente der Hochdruck- und Hochtemperaturforschung, die am Bayerischen Geoinstitut (BGI) eingesetzt werden, um Materialproben sehr hohen Drücken auszusetzen und zu untersuchen, wie sich ihre inneren Strukturen verändern. Dies ist von großer Bedeutung, wenn man mehr über die Prozesse im Erdinneren herausfinden will, wo die Kompressionsdrücke sehr viel höher sind als auf der Erdoberfläche. Die Forschungsinfrastruktur, die dabei zum Einsatz kommt, lässt sich aber auch unabhängig von konkreten geowissenschaftlichen Forschungszielen für materialwissenschaftliche Arbeiten einsetzen. Das ist jetzt mit der neuen Studie von Prof. Katsura und seinem internationalen Team geschehen.  Konkrete industrielle Anwendungen sind derzeit noch nicht geplant.

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